Zum Begriff »Glamour«
– Jewgenija Tschuikowa

»Glamour, oder wie man in Russland sagt, »Glamúr« ist als Definition nicht einfach zu fassen – ein ziemlich verwirrender und zudem sehr vielseitig verwendeter Begriff. Zuweilen ist er auch mit polarisierenden Bewertungen besetzt. Ist es wirklich der funkelnde Lebenstil selbst, sein mediengeschaffenes Bild oder doch eher das stete und sehnsüchtige Streben danach? Als »cheap glamour« manifestiert, lässt sich mit diesem Bemühen um Schein und Glanz wahrscheinlich auch am meisten Geld verdienen. Sind es nur die Waffen der Frauen (in Russland besonders betont in Anspruch genommen) oder vielleicht auch die perfiden Strategien der Unterhaltungsindustrie? Fällt z.B. »Germany’s Next Topmodel« noch darunter oder die Show »Deutschland sucht den Superstar«? Die Hochglanzmagazine und die Klatschblätter, nach deren Lektüre das eigene Leben manchmal so frustrierend fade erscheinen könnte und womöglich auch sollte?
Übertragen auf die Ernährung – der schnelle Zucker, der zwar ein kurzes Hoch erlaubt, jedoch nicht unbedingt nährt. Oder etwa doch?
Fragen, Fragen, Fragen… mehr Fragen als Antworten.

Mit dem kommenden Ausstellungsprojekt »…nach Glamour« können wir dem Thema nicht in aller Ausführlichkeit auf den Grund gehen, wir können es dennoch benennen und dabei erstaunt feststellen, dass die Kunst sich damit bisher noch kaum befasst hat! Und dies, obwohl »Glamour« allgegenwärtig ist…

In Russland dagegen ist man darin Experte. Nicht einmal der gefürchtete »Diskurs« kann es sich länger leisten, den Glamour zu ignorieren oder die Nase davor zu rümpfen. Der Schriftsteller Viktor Pelevin spricht z.B. in seinem berühmten wie genialen Roman »Das fünfte Imperium« vom Glamour als vom »Diskurs des Körpers« und vom Diskurs als »Glamour des Geistes«.

Währenddessen verarbeitet die Kunst ihre Erfahrungen und macht dabei die Dinge, die vielleicht anderswo raffinierter verpackt daherkommen, trotzdem wieder sichtbar. Und der Gegenstand der Betrachtung bleibt weiterhin spannend für alle, weil er zutiefst menschlich ist.«

Jewgenija Tschuikowa, April 2016