Eine künstlerische Analyse zur aktuellen Entwicklung der russischen Gesellschaft
– Natalia Gershevskaya und Jewgenija Tschuikowa

Ausstellungskonzept:

In den letzten 25 Jahren hat die russische Gesellschaft eine gewaltige Wende durchlebt. Am Anfang des 21. Jahrhunderts steigerte sich die Finanzkraft einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe ins nahezu Unermessliche.

Da sich in der sozialistischen Vergangenheit weder Tradition noch Kultur im Umgang mit Kapital entwickeln konnten, manifestierte sich das schnell verdiente Geld in einem luxuriösen Lebensstil, der den neuen gesellschaftlichen Status zeigte. Das Diktat des demonstrativen Konsums und der entfesselten Eitelkeiten gipfelte in den grotesken Formen eines »Glamour«, der zum Vorbild und zur Projektionsfläche der Träume des Großteils der Bevölkerung wurde – und Traum blieb.

Diese einzigartige Zeit wurde zur Faszinationsquelle bildender Künstler: Spontaneität, Freiheit, Leidenschaft, groteske Formen der Realität prägten die Intensität der künstlerischen Bildsprache. Die Künstler, die dieses Phänomen reflektierten, integrierten die aufgeladene Materialität des Glamour in ihren außergewöhnlichen Werken.

In dieser Zeit des wirtschaftlichen Aufstiegs wurden jedoch das soziale Bewusstsein und die gesellschaftliche Verantwortung nicht aufgebaut. Das verhinderte wiederum den Aufbau einer Zivilgesellschaft, was zur einer gewaltigen Spaltung, Orientierungslosigkeit und Radikalisierung in der heutigen Gesellschaft führte.

Welche Rolle spielte bei dieser gesellschaftlichen Entwicklung das Phänomen des Glamour? Ist die schillernde Schönheit des Seins und die Stimmung einer unaufhörlichen Feier des Lebens eine gezielte Ausblendung der viel härteren Realität?

Die Ausstellung reflektiert die Ambivalenz dieser Entwicklung, die in den Kunstwerken mit Humor und einem tiefen Verständnis für Kunst, als eine kritische Sprache, gezeigt wird.

Die Ausstellung wird von einem interdisziplinären Vermittlungsprogramm begleitet. Künstlergespräche, Podiumsdiskussionen, Vorträge und Performances werden sich dem Themenkreis der Folgen des »Glam-Kapitalismus« im internationalen Kontext widmen.